Valentin Tomberg – Konvertit und
Rebell?
Valentin Tomberg hatte einen ernstzunehmenden Konflikt mit
Funktionären der Anthroposophischen
Gesellschaft (sowohl der AAG in Dornach, als
auch der niederländischen Anthroposophischen
Vereinigung) bevor er der
Anthroposophie in
Gänze den Rücken kehrte und zur römisch-katholischen Kirche
konvertierte.
Die Frage, die sich immer wieder stellt, ist die nach dem
Verhältnis Tombergs zu Rudolf Steiner,
sowohl vor, als auch nach seinem
Übertritt zur römisch-katholischen Kirche.
Eines ist ganz sicher, vor seiner Konversion verehrte er Rudolf
Steiner als geistigen Lehrer
nahezu uneingeschränkt, ja er wollte ihm
geradezu nachfolgen auf den Wegen der geistigen
Forschung, die Rudolf Steiner
in seinem esoterischen Werk vorgezeichnet hatte.
Doch wie war seine Haltung zu Rudolf Steiner nach seinem offiziellen Standortwechsel?
Eine überraschende Perspektive dazu liefert Charles Lawrie, indem
er referiert, Valentin
Tomberg habe auf die Frage „Warum wurden Sie
Katholik?“ gegenüber Frau Eugenia Gurwitsch mit
seinen eigenen Worten
geantwortet: „Rudolf Steiner wollte, dass ich es tue.“
Dennoch scheint es infolge des Übertritts zur katholischen Kirche
bei Valentin Tomberg zu einer
vielleicht sogar bewusst in Kauf genommenen
Einschränkung seiner Initiation gekommen zu sein,
schließlich bemerkt er am Ende
des sogenannten „Vater-unser-Kurses“
(hier in der Wiedergabe von Michael
Frensch): „Jede Rose des Rosenkreuzes ist eine Passionsstufe.
(...) Dies alles
immer weiter und tiefer zu erleben ist esoterisches Christentum.
(...)
Exoterisches Christentum stellt sich Grenzen. Das tut die Kirche.“
Valentin Tomberg war sich also schon in der Zeit kurz vor seinem
offiziellen Übertritt zur katholischen
Kirche klar darüber, dass dort die
Wirkungsmöglichkeiten eines Hermetikers
begrenzt waren.
Und tatsächlich konnte er die vorher erkannten Wahrheiten während
seiner Zugehörigkeit zur
katholischen Kirche, wie sich am Beispiel der
Reinkarnation zeigen lässt, nur in beinahe kryptisch
verschlüsselter Form an den
Mann, respektive den Glaubensbruder, bringen.
Wolfgang Garvelmann bemerkt hierzu: „Wer selbst einmal den Weg von
der Anthroposophie zum
Katholizismus gegangen ist, für den stellt er sich
allerdings nicht so glatt dar (...) (wie ihn z.B. Martin
Kriele u.a. auch in
seinem Werk „Anthroposophie und Kirche“ erscheinen lässt, Einfügung, MHA),
denn
er weiß, welchen eigenartigen Gewissensverkrampfungen er sich aussetzen muß, um
die
entscheidenden Schritte zu tun. Während er einerseits genau weiß, daß er
gerade durch das
Sehvermögen, das er der Anthroposophie verdankt, das
christliche Element innerhalb des Katholizismus
anschauen kann, nötigt ihn die
katholische Kirche doch, seinen früheren Überzeugungen abzuschwören.
Er sieht
sich genötigt, einen Meineid abzulegen, um dem, was er für das Richtige halten
muß, folgen zu
können.“
Wenn sich Valentin Tomberg nun auch spät, am Ende seines
Lebensganges von Rudolf Steiner klar zu
distanzieren scheint, so ist dies ebenso
klar eine Folge seiner Rebellion gegen
die von ihm in den 40er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts als bedrückend eng erlebten
anthroposophischen
Verhältnisse und die darauf folgende, vermeintlich von Rudolf Steiner
selbst
instruierte Flucht unter die Fittiche der katholischen Kirche, welche auch als
Folge des eigenen
Karmas in eine partiell erlebte geistige Blindheit münden
musste, denn dem ‚Bösen’
gegenüber wollte Valentin Tomberg, wie er auch in
seinem Spätwerk „Die großen Arcana des Tarot“,
bemerkt, wohl oder übel, aber
dennoch bewusst, nicht mehr so genau hinschauen.
Gerade diese
selbstverschuldete Blindheit dem Bösen (oder in anthroposophischer Terminologie
den
Widersachermächten) gegenüber förderte und forderte im Kontext der
römisch-katholischen Glaubenslehre,
eine zunehmende Entfremdung von Rudolf
Steiner ein –
ein Vorgang wie man ihn gleichermaßen bei Martin Kriele nach
seinem vollzogenen Austritt
aus der Anthroposophischen Gesellschaft und
seiner Hinwendung zu den im Rahmen der katholischen
Dogmatik widerspruchsfreien
Engelsbotschaften seiner Gattin Alexa Kriele,
vermuten
muß.
Valentin Tomberg erscheint somit, mit den Augen der
geistigen Welt geschaut, als ein Opfer
seiner eigenen
Täuschungen.
Literatur:
Willi Seiß, Das Erscheinen des Christus im Ätherischen –
ein zentrales Anliegen Tombergs.
In: Valentin Tomberg: Leben – Werk –
Wirkung, Band II, Schaffhausen 2000, S. 46 – 58
Michael Frensch, Valentin Tombergs geistiger Weg nach dem
Zweiten Weltkrieg. In: Valentin Tomberg:
Leben – Werk – Wirkung, Band II,
Schaffhausen 2000, S. 75 – 100
Charles Lawrie, Valentin Tomberg – einige Tatsachen,
einige Fragen. In: Valentin Tomberg: Leben – Werk –
Wirkung, Band II,
Schaffhausen 2000, S. 381 –396
Wolfgang Garvelmann, "Valentin Tomberg, ein Versuch, ihm gerecht
zu werden.“ (Veröffentlicht in
„Info-3“ Nr. 5 / 1988)
Martin Kriele: Anthroposophie und Kirche. Erfahrungen eines Grenzgängers, Freiburg – Basel – Wien 1996
Sergej O. Prokofieff, Die Beziehung des späteren Tomberg zu Rudolf
Steiner und zur Anthroposophie,
Dornach 2004