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"Nach dem Christentum - das ist ganz klar für den, der die Begründung des Christentums kennt
- kann eine neue Religion nicht mehr begründet werden. Man würde das Christentum unrichtig
verstehen, wenn man glauben würde, daß eine neue Religion begründet werden könne.
" (GA 211: Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung", S. 139).

Im übrigen äußert sich Steiner sehr differenziert, aber auch bestimmt über den Islam. Hier Auszüge
aus einem Vortrag Steiners vor den Priestern der Christengemeinschaft zum Islam: "Da fiel sein
(Johannes) prophetischer Blick auf jene Lehre, welche nun im Osten entsteht – um 666 -, und
welche zurückgreift in jenes Mysterienwesen, das nichts weiß vom Sohn: die mohammedanische
Lehre. Die mohammedanische Lehre kennt nicht diese Struktur der Welt, von der ich Ihnen
gesprochen habe, sie kennt nicht die zwei Reiche, das Reich des Vaters und das Reich des Geistes,
 sie kennt nur allein den Vater. Sie kennt nur die starre Lehre: Es gibt nur einen Gott, Allah, und
 nichts, was neben ihm ist, und Mohammed ist sein Prophet. – Von diesem Gesichtspunkt aus ist
die mohammedanische Lehre die stärkste Polarität zum Christentum, denn sie hat den Willen zum
Beseitigen aller Freiheit für alle Zukunft, den Willen zum Determinismus, wie es nicht anders sein
kann, wenn man die Welt nur im Sinne des Vatergottes vorstellt.Und der Apokalyptiker empfindet:
Da kann der Mensch sich nicht selber finden. Da kann der Mensch nicht durchchristet werden.
Da kann der Mensch nicht sein Menschentum in sich ergreifen, wenn er nur erfaßt diese ältere
 Lehre vom Vater.-" (GA 346, S. 107)."In dezidierter Weise sah der Apokalyptiker innerlich
 voraus, was den Menschen drohte. Das Christentum wird nach zwei Richtungen hin in ein
Scheinchristentum verfallen – oder besser gesagt, es wird in ein in Nebel gehülltes Christentum
 hineingeraten; und das, was ihm droht als ein solches Überflutetsein, das wird bezeichnet durch
das Jahr 666, das in der geistigen Welt das bedeutsame Jahr war, wo überall eintritt, was im
Arabismus, im Mohammedanismus lebt. Er bezeichnet dieses Jahr 666 mit aller Deutlichkeit.
Diejenigen, die apokalyptisch lesen können, die verstehen das schon. Der Apokalyptiker sah
 voraus, wie dasjenige wirken würde, was da hereinbricht, wenn er in dem gewaltigen Worte die
 Zahl 666 als die Zahl des Tieres bezeichnet.“ (GA 346, S. 108).

Darüberhinaus gibt es noch eine bezeichnende Stelle zum Islam in den Lehrerkonferenzen, wo Steiner
versucht die Wesenheit Allahs zu erfassen:"Der Mohamedanismus ist die erste ahrimanische
Manifestation, die erste ahrimanische Offenbarung nach dem Mysterium von Golgatha. Der Gott
Mohammeds, Allah, Eloha, ist ein ahrimanischer Abglanz der elohistischen Wesenheiten, der Elohim
 aber monotheistisch erfaßt. Er bezeichnet sie immer in einer Einheit.Die mohammedanische Kultur
 ist ahrimanisch, aber die Gemütsverfassung der Islamiten ist luziferisch."(GA 300a, Konferenz vom
9.6.1920, S. 130).

Es ist allerdings auch die positive Bedeutung des Islam bei der Eindämmung des Gondhishapur-Impulses
 zu beachten, auch darauf hat Rudolf Steiner hingewiesen. So sagt Steiner aber in diesen Vorträgen
 auch: "Indem Mohammed eine phantastische Religionslehre verbreitete, vor allen Dingen über diejenigen
 Gegenden, über die man verbreiten wollte die gnostische Weisheit von Gondhishapur, nahm er sozusagen
 dieser gnostischen Weisheit das Feld weg." (GA 184: Die Polarität von Dauer und Entwicklung im
 Menschenleben..., S. 283).

Der Islam beruft sich über Mohammed auf eine Inspiration durch den Erzengel Gabriel. Dieser soll
Mohammed den Koran diktiert haben. Eine fortwirkende Inspiration durch die Erzengel kennt der
Koran allerdings nicht. Er bleibt also insoweit eine reine Buchreligion.

Entwicklungsmöglichkeiten lässt allerdings auch der Islam zu – obwohl er aufgrund einer strengen
Prädestinationslehre, die zuweilen an Calvin erinnert, zum Fatalismus gegenüber der anthroposophischen
 Entwicklungsidee durch Reinkarnation und Karma neigt, soweit er diese überhaupt anzuerkennen mag.

Der von Rudolf Steiner sehr verehrte Johann Wolfgang von Goethe schrieb allerdings in seinem
West-östlichen Diwan u.a.:


„Wofür ich Allah höchlich danke? Dass er Leiden und Wissen getrennt. Verzweifeln müsste jeder
 Kranke, Das Übel kennend, wie der Arzt es kennt.“

“Närrisch, dass jeder in seinem Falle Seine besondere Meinung preist! Wenn Islam Gott ergeben
heißt, In Islam leben und sterben wir alle.“

Der Islam wird bei Goethe so zur Universalreligion, was sich allerdings erst anhand von Goethes
Sufismusrezeption, die über die mystischen Dichtungen des Islam erfolgte, ergibt:

„Gesteht's! Die Dichter des Orients Sind größer als wir des Okzidents. Worin wir sie aber völlig
 erreichen, Dass ist im Hass auf unsresgleichen.“

Der offensichtliche Widerspruch zwischen Steiner und Goethe an diesem Punkt lässt sich bei einer
 Betrachtung der potentiellen Entwicklungsmöglichkeiten des Islam überwinden. So schreibt Pietro
Archiati in seinem Buch „Unterwegs zum Menschen. Die Weltreligionen als Wege des Menschen
 zu sich selbst“ über den Islam: „Das heutige Zusammenleben von Islam und Christentum kann als
positive, entwicklungsfördernde gegenseitige Herausforderung erlebt werden. Der Islam ist dazu da,
um dem traditionellen Christentum das eigene Versagen wie in einem Spiegel vorzuhalten. Er fordert
das Christentum auf, ernst zu machen mit dem Christentum selbst. Er fordert alle auf nicht nur eine
christliche Theorie zu haben, sondern auch die Lebenspraxis damit zu durchdringen. Die Herausforderung
des Christentums dem Islam gegenüber ist andererseits die Herausforderung der individuellen Freiheit.
 Aber diese Herausforderung wird nicht wirksam durch die Theorie über die individuelle Freiheit,
sondern durch die Wirklichkeit der Freiheit selbst, die sich nur in wahrhaft freien Menschen zeigen und
durch sie ausstrahlen kann. (...) Dasjenige, was das vergangene Christentum heute mit dem Islam erlebt
und noch viel stärker erleben wird, kommt daher, dass der Mensch des Islam sehr lange an die Pforte
 des Christentums gepocht hat in der unbewussten, aber realen Suche nach der Liebe. Der Islam ist bitter
 enttäuscht worden, weil er das Wesen der Liebe nicht gefunden hat! So können wir auch das Aggressive
 des Islam dem christlichen Abendland gegenüber aus der bitteren Enttäuschung und Entbehrung erklären.
Das wahre Ich dieser Menschen hat das Menschliche gesucht und es nicht gefunden dort, wo die
 Voraussetzungen da waren, dass es hätte vorhanden sein können. Auch der islamische Mensch sucht wie
 jeder Mensch das Wesen der Liebe im anderen Menschen. Und was sucht das traditionelle Christentum,
 herausgefordert vom Islam? Es sucht dasjenige, was es verloren hat: auch das kosmisch-göttliche Wesen
der Liebe, auch den Christus. So haben die Christen und die Muslims die Suche nach dem Wesen der
 Liebe gemeinsam! Indem dank der Auseinandersetzung zwischen Islam und Christentum ein Bewusstsein
davon entsteht, dass dasjenige, was wir alle gemeinsam haben – die Suche nach dem wahren Menschentum,
die Suche nach dem Christus-Wesen -, viel tiefer und gewaltiger ist als dasjenige, was wir nicht gemeinsam
 haben, entsteht eine große Zukunftshoffnung der Menschheit! Es entsteht die Hoffnung, dass sowohl der
 Mensch im Christentum wie auch der Mensch im Islam den Impuls immer tiefer würdigen wird, wodurch
 zum ersten Male nach zweitausend Jahren die reale Christus-Wesenheit wiedergefunden werden kann in
 der Menschheit. Wo wird Christus real wiedergefunden in der heutigen Menschheit? Ich kenne nur einen
 geistigen Impuls, von dem ich sagen darf: Hier wird Christus wiedergefunden, das ist die Geisteswissenschaft
 Rudolf Steiners! Im Westen, wo Christentum und Islam in oft tragischer Weise Karma miteinander
auszutragen haben, höre ich die Stimme, die ruft: O Muslim, o Christ, sucht das Wesen der Liebe, sucht
die Christus-Wesenheit dort, wo sie zu finden ist! Wo eine Wissenschaft des Geistes, wo ein Bewusstsein
der Wesenhaftigkeit und der Substantialität des Geistes so real wiedergewonnen wird, dass für den
 Menschen, der diese Geisteswissenschaft ergreift, die reale Begegnung mit dem Wesen des Christus in
 seiner übersinnlichen Wiederkunft möglich wird. Das ist die Hoffnung jedes Christen, dies ist die Hoffnung
 jedes Muslim.“ (Pietro Archiati).

Dies ist das Ringen und Suchen des Sufismus, wie auch die Mahdi-Erwartung des schiitischen Islam.


Literatur:

Rudolf Steiner: Apokalypse und Priesterwirken (GA 346);
Rudolf Steiner: Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung (GA 211);
Rudolf Steiner: Lehrerkonferenzen, Bd. I (GA 300a);
Rudolf Steiner: Die Polarität von Dauer und Entwicklung im Menschenleben (GA 184);
Johann Wolfgang von Goethe: West-östlicher Diwan;
Pietro Archiati: Unterwegs zum Menschen. Die Weltreligionen als Wege des Menschen zu sich
selbst, ISBN 3-937078-56-8.

http://wiki.anthroposophie.net/Islam

Viele Grüße

Michael Heinen-Anders

Erläuterung von  www.hermannkeimeyer.de  : Die 3 Widersachermächte sind : Luzifer =  Teufel, Ahriman = Satanas,
Asuras-Sorat = das zweihörnige Tier  ( siehe in der  Apokalypse, der Bibel)